Mit Mindestrenten kann Altersarmut verhindert werden.
Der Übergang vom Erwerbsleben in die Rente darf nicht zu einem Absturz in die Altersarmut führen. Deshalb müssen armutsfeste Renten stets über der Armutsgefährdungsschwelle liegen.
Die Mindestrente würde damit aktuell (2022) für Einzelhaushalte eine Höhe von mindestens 1.250 Euro netto aufweisen. Die regional sehr unterschiedlichen Wohnkosten müssten durch erweiterte Wohngeldzuschüsse ausgeglichen werden.
Die Mindestrenten setzen sich aus der Altersrente bzw. Erwerbsminderungsrente plus einem steuerlich finanzierten Aufstockungsbetrag zusammen.
Auch in der Frage der Mindestsicherung gibt ein Blick über den Tellerrand eine gewisse Orientierung.
In Österreich beträgt die „Mindestpension“ (für Einzelhaushalte – Stand 2021) nach 15 Jahren 1.167€ (netto ca. 1.110€), nach 30 Jahren erhöht sie sich auf 1.299€ (netto: ca. 1.210€) und nach 40 Jahren auf 1.563€ (netto: ca. 1.420€). Die Differenz zwischen der Niedrigrente und der Mindestpension wird als „Ausgleichszulage“ aus Steuermitteln finanziert.
Zurück in die deutschen Rentenniederungen: Die Armutsgefährdungsschwelle wird durch destatis im Rahmen der Mikrozensuserhebungen fortlaufend ermittelt. Für das Jahr 2021 wurde von destatis eine bundesdurchschnittliche Armutsgefährdungsschwelle von 1.247€ für Einzelhaushalte ermittelt.
Die Wohnkosten machen den größten Anteil an den Lebenshaltungskosten aus. Sie sind regional sehr unterschiedlich und müssten durch erweiterte Wohngeldzuschüsse ausgeglichen werden.
Unser Armutsbegriff: Wichtig ist eine Verständigung darüber, welcher Armutsbegriff der Bekämpfung von Altersarmut zu Grunde gelegt wird.
Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung soll wie Hartz IV verhindern, dass Menschen unter dem absoluten Existenzminimum leben müssen. Darunter drohen Hunger und Obdachlosigkeit. Die Zahl der Grundsicherungsempfänger stieg in 18 Jahren um 156%.
Nach einer Studie des DIW nehmen nur 38% der Berechtigten, d.h. 589.000 Menschen die Grundsicherung im Alter in Anspruch (2021). Berechtigt wären tatsächlich über 1,55 Millionen. Zur Vermeidung des menschenunwürdigen Kontrollregimes gehen hunderttausende ältere Menschen zur Tafel, sammeln Pfandflaschen oder führen auch in hohem Alter niedrigentlohnte Arbeiten aus.
Der Regelsatz von 502€ ist auch deutlich zu niedrig um den Lebensunterhalt zu bestreiten und eine minimale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Die Sozialverbände fordern seit Jahren den Regelsatz auf Basis des normalen Warenkorbs und nicht Mittels des extra geschaffenen „Armeleute“-Warenkorbs zu berechnen. Der Regelsatz hätte dann eine Höhe von aktuell 725€.
Deutlich besser geeignet zur Beurteilung, ob Menschen in Armut leben müssen, ist die international vereinbarte Definition der Armutsgefährdungsschwelle. Wer in einem Land weniger als 60% des mittleren Einkommens (Medianeinkommen) bezieht, gilt als armutsgefährdet. In dieser Definition werden die soziokulturellen Bedürfnisse berücksichtigt. Nach dem bundesdurchschnittlichen Median lag die Armutsgefährdungsschwelle 2021 bei 1.247€ netto für Einzelpersonen. Jährlich werden durch den Mikrozensus (ca. 350.000Haushalte bzw. 850.000Menschen) Menschen bzw. Haushalte ermittelt, die unter diesen Bedingungen leben.
Der Anteil der in Armut lebenden RentnerInnen und PensionärInnen hat sich dramatisch entwickelt.
Seit 2014 liegt die Armutsgefährdungsquote der RentnerInnen/PensionärInnen über der Quote der Gesamtbevölkerung. Die Tendenz wird sich noch verstärken, wenn die Jahrgänge, die lange Zeit in prekären Arbeitsverhältnissen gearbeitet haben, in Rente gehen und wenn die gesetzlichen Rentendämpfungsfaktoren ihre volle Wirkung entfalten.
Eine von Matthias W. Birkwald und Gerd Bosbach beauftragte (und bezahlte) Sonderauswertung der Mikrozensusdaten hat ergeben, dass bei Rentnerhaushalten die Zahlen ca. 2 % höher liegen (Quote bei Rentnerhaushalten: 20 %; Pensionärshaushalte: 0,9%).
Neben dem Blick über den Tellerrand (z.B. Österreich) ist auch ein Blick in den deutschen Versorgungsteller hilfreich. Beamte erhalten hier nach bereits 5 Jahren eine Mindestpension von 1.866€, das führt zu einem Nettobetrag von ca. 1.550€ (Bundesbeamte 2021). Da nimmt sich eine Mindestrente von 1.250€ doch sehr bescheiden aus.
Anmerkung: Die neu in die Welt gesetzte Grundrente ist kein geeignetes Instrument gegen Altersarmut. Die Zuschlagsbeträge führen zu Grundrenten weit unter der Armutsgefährdungsschwelle. Die Voraussetzungen bilden eine hohe Hürde: mindestens 35 Jahre Beitragszeiten; nur Zeiten über 30% des Durchschnittseinkommens werden berücksichtigt; Einkommensprüfungen. Das schließt über 3 Millionen Rentnerinnen und Rentner, selbst von diesen unzulänglichen Grundrenten, aus. Tendenz steigend.