Am 7.Juni 2022 trafen sich die Landtagsabgeordneten in Kiel zum ersten Mal seit der Neuwahl im Mai. Noch bevor das erste Wort gewechselt wurde, konnten sie sich glücklich schätzen:
Die Parlamentarier der vorherigen Legislaturperiode hatten sich fürsorglich-kollegial für ihre Nachfolger ins Zeug gelegt. Die Abgeordnetenpensionen wurden nach 10 Jahren Kapitalmarktabenteuer wieder auf verlässlich-garantierte Anwartschaften mit einer anständigen Erhöhung umgestellt.
Ein lernfähiger Landtag – in eigener Sache…
Der Lernprozess in Kürze: Anfang der Zweitausender Jahre wurden die unschlagbaren Vorteile der privaten Altersversorgung landauf, landab propagiert (Riester-Rente, Entgeltumwandlung). Die Kieler Abgeordneten glaubten den Vorteilserzählungen und stellten ihre Altersversorgung 2007 auf eine Privatversicherung um.
Nach 10 Jahren gab es das böse Erwachen. Mit der neuen Versorgungsordnung hatten sie nach 5 Jahren Parlamentsarbeit gerade einmal einen Pensionsanspruch von 385 Euro erworben. Nach der alten Regelung wären es 1.510 Euro gewesen – vier Mal soviel! Die Regionalpresse titelte: “Die Angst der Politik vor Altersarmut”.
Dem Schock folgte rasch die Einsetzung einer Expertenkommission. Die lieferte bereits innerhalb eines Jahres die Empfehlung ab, die Pensionsansprüche wieder mit festen und garantierten Anwartschaften zu versehen. Mit einer jährlichen Anwartschaftssteigerung von 1,5%, würde der Pensionsanspruch nach fünf Jahren auf 617 Euro (aktuell: 666 Euro) steigen. Das wären beachtliche 60% mehr.
Der Landtag brauchte wiederum ein Jahr, um die Vorschläge der Experten schnell und in großer Einmütigkeit am 17. Juni 2020 als Gesetz zu beschließen. Die Weichen für eine anständige Altersversorgung ab 2022 waren gestellt. Es gab wenig Kritik, von wegen Selbstbedienung oder Ähnlichem. Die Neuregelung nimmt sich auch bescheiden aus gegen die üppigen Pensionsansprüche anderer Parlamentarier in Deutschland (*). Also sind alle zufrieden?
Ein egoistischer Landtag – wenn es um die Wähler geht…
Die Abgeordneten lobten sich und ihr Gesetz über den grünen Klee. Sie bescheinigten sich Augenmaß und lobten die Klarheit und Transparenz des Gesetzes. Danach verschlossen sie Augen und Ohren und stellten sich taub.
Jedenfalls gab es keinerlei Reaktionen auf die Forderung, sie sollten nicht nur an sich, sondern vor allem an ihre Wähler denken. Sie sollten sich dafür einsetzen, auch die Privatvorsorge der gesetzlich Rentenversicherten, die Riester-Rente, einzustellen. Sie sollten sich dafür einsetzen, dass ihr Augenmaß für alle Erwerbstätigen in Deutschland gelte. Konkret also, dass die Rentenanwartschaften der gesetzlich Versicherten von gegenwärtig 1,0 Prozent auf die „bescheidenen“ 1,5 Prozent der jährlichen Einkommen angehoben werden. Das wäre dann auch eine solide Grundlage für die Altersversorgung aller Erwerbstätigen und Basis für eine überfällige Erwerbstätigenversicherung, in die auch Politiker, Beamte und Selbständige zusammen mit den bisherigen gesetzlich Versicherten, organisiert werden.
Auf diese einfachen Forderungen wollte niemand der sich selbstlobenden Selbstversorger antworten. Der Landtagspräsident zeigte Verständnis … das war das Maximum an Rückkopplung an das Wahlvolk.
Weitere Artikel zu dem Thema:
https://www.seniorenaufstand.de/die-bruecke-zur-erwerbstaetigenversicherung-15/
https://www.seniorenaufstand.de/hilfe-fuer-schleswig-holsteinische-landtagsabgeordnete-in-not/
https://www.seniorenaufstand.de/rentenberatung-vor-dem-kieler-landtag/
(*) Im Vergleich zu anderen Parlamenten nimmt sich die Schleswog-Holsteinische Altersversorgung eher bescheiden aus. Nach 10 Jahren erhalten die Abgeordneten folgende Anteile von der aktuellen Grundentschädigung:
Schleswig Holstein: 15 %
Bundestag 25%
Bayern 33,5%
Sachsen 36%
Berlin 35%
Niedersachsen 25%
Dagegen erhalten die gesetzlich Versicherten gerade einmal 10 Prozent und das nicht einmal des letzten Einkommens, sondern des Durchschnitts ihrer Lebens-Arbeitseinkommen. Während die Höhe der Anwartschaften von Parlamentariern garantiert ist, wird die jährliche Anwartschaft der Rentnerinnen und Rentner von heute 1,0 Prozent auf 0,87 Prozent im Jahr 2060 abgesunken sein (OECD-Berrechnungen).