„Schädliche Verwendung“ von Riester-Verträgen

Wer tragischerweise früh verstirbt, verursacht eine „schädliche Verwendung“ seines Riester- Vertrags. Das angesparte Geld schmilzt wie Schnee in der Märzsonne. Von den 16 Millionen Riester-Verträgen sollen bisher weniger als 500.000, also weniger als drei Prozent, zur Auszahlung gekommen sein. Darüber gibt es keine veröffentlichte Statistik. Wieviel davon wegen „schädlicher Verwendung“ sanktioniert wurden, ist noch weniger bekannt. Lothar Budnik, Mitstreiter bei RentenZukunft, hat Erfahrungen mit einem Fall der „schädlichen Verwendung“ gemacht. Wir haben ihn interviewt.

Fragen an Lothar Budnik zu „seiner“ Riester-Rente

Lothar, Du bist vor 3 Jahren in den Genuss einer Riester-Rente gekommen, obwohl Du gar keinen Vertrag hattest. Wie kam es dazu?

Unser Sohn ist im Januar 2021 im Alter von 42 Jahren verstorben. Da er nicht verheiratet war, auch keine Kinder hatte, und es kein Testament gab, kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. Im Erbrecht heißt es: „Gesetzliche Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers“. Sie erben allein und zu gleichen Teilen. Somit haben wir den Riester Vertrag mit allen Rechten und Pflichten geerbt.

Und durch dieses traurige Ereignis kam es zu einer Auszahlung auf die ihr nun wirklich gerne verzichtet hättet. Was hatte Dein Sohn denn eingezahlt? Immerhin ist ja gesetzlich garantiert, dass bei Riester-Verträgen mindestens die Beitragssumme zur Auszahlung kommen muss.

Auf Erben erster Ordnung, also der Ehefrau oder auf vorhandene Kinder wäre der Vertrag übertragbar gewesen und hätte in einem neuen- oder vorhandenen Vertrag weitergeführt werden können. Eine Übertragung auf die Eltern ist vertraglich ausgeschlossen. Deshalb habe ich den Riester Vertrag gekündigt und es ist zu einer sogenannten „schädlichen Verwendung“ gekommen. Hierbei wird nicht unterschieden, ob der Versicherungsnehmer zu Lebzeiten selbstständig kündigt, oder die Kündigung zwangsläufig durch den Tod des Versicherungsnehmers erfolgt ist. Zur Frage: Eigenbeiträge hat unser Sohn 12.005,08 Euro plus staatliche Zulagen in Höhe von 1.199,89 Euro in einen fondgebundenen Altersvorsorgevertrag eingezahlt. Als Überschussbeteiligung wurden 65,65 Euro ausgewiesen, der Fondsertrag müsste 1.294,83 Euro betragen haben, so dass am Ende eine Summe von 14.565,45 Euro stand.  In einem ersten nichtssagenden Schreiben wurde mir zu meiner Überraschung die Auszahlungssumme von 7.200,76 Euro mitgeteilt.

Wie bitte? Von 14.565 Euro blieben mickrige 7.200 Euro übrig? Das ist ja weniger als die Hälfte! Wie kommt denn so ein unglaublicher Schwund zustande?

Während der Versicherungsdauer von 2008 bis 2018 bis zu meiner Kündigung im April 2021 sind beim Anbieter der „Neuen Leben Hamburg“ Abschluss- und Vertriebskosten sowie Tarifkalkulationskosten in Höhe von insgesamt 2.698,08 Euro entstanden. Abzüglich der entstandenen Kosten der „Neuen Leben“ betrug das Deckungskapital des Vertrages dann im April 2021 noch 11.866,65 Euro. Von diesem Betrag wurden durch die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen in Berlin die 1.199,89 Euro gutgeschriebenen Zulagen- und 3.466 Euro gewährte steuerliche Förderung abgezogen. Die auszuzahlende Summe betrug somit 7.200,76 Euro.

Gegen die Abzüge der Verwaltungskosten, die Rückerstattung der Zulagen konntest Du Dich nicht wehren. Aber die Steuernachforderung war nach Deiner Einschätzung nicht rechtens. Wieso nicht? 

Die Rückzahlung der Steuerermäßigungen wollte ich nicht hinnehmen und habe mir deshalb bei einem Steuerberater Informationen über das Steuerrecht eingeholt. Demnach sind Steuerbescheide nach ihrer formellen Bestandskraft (Ablauf der Einspruchsfrist) nur noch änderbar, wenn es eine Korrekturvorschrift in der Abgabeordnung gibt und die Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist. Mit Ablauf der Festsetzungsfrist werden Steuerbescheide endgültig materiell bestandskräftig. Eine Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung ist gem. §§ 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgaben Ordnung nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr zulässig. Vereinfacht gesagt heißt das:  Verjährung. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Erklärung abgegeben wurde und endet nach 4 Jahren. Der Tod des Steuerpflichtigen ist keine leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung, welche zu einer verlängerten Festsetzungsverjährung führen würde. Die Steuervergünstigungen für die Kalenderjahre 2008 bis 2015 sind daher nicht fristgerecht. Das heißt die Festsetzungsverjährungsfrist ist abgelaufen. Ich habe deshalb Einspruch eingelegt und für die Jahre 2008 bis 2015 eine Rückerstattung von 2.343 Euro gefordert. 

Und warum wäre ein Widerspruch gegen Steuerabzug dann trotzdem vermutlich erfolglos?

In dem Antwortschreiben der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen wurde mein Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Mein Einwand unter Bezugnahme der Vorschriften der §§ 169 ff der Abgaben Ordnung sind hier, aufgrund der Spezialvorschriften des Einkommenssteuergesetzes nicht einschlägig. Deshalb kommt die ZfA nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, das der Bescheid der gültigen Rechtslage entspricht. Gegen diesen Bescheid hätte ich innerhalb eines Monats schriftlich Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg erheben können. Vermutlich mit einem für mich negativen Urteil. 

Ich nehme das Wort „Genuss“ in meiner ersten Frage zurück und frage Dich abschließend: Was sind Deine Empfindungen und Einschätzungen nach diesen traurigen und enttäuschenden Erfahrungen? 

Der Riester Vertrag mit seinen gesamten Kosten ist völlig intransparent. Bei einem Riester Fondsparvertrag mit Ausgabeaufschlägen und Aktien Umschichtungen scheitert man völlig. Ich habe zwar den Auszahlungsbetrag in Summe bekommen, aber alle Details auf die einzelnen Jahre aufgeschlüsselt, musste ich durch viele Schreiben einfordern.

Bisher konnte mir niemand sagen, ob vielleicht die Verjährungsfrist doch einen Einfluss auf die Rückzahlung der Steuerermäßigungen hat. 

Durch den Tod meines Sohnes habe ich mich 2021 in einer persönlichen Ausnahmesituation befunden. Jetzt mit etwas Abstand wäre ich sicherlich etwas anders an die Kündigung herangegangen.

Mein Fazit: Von der Riester Rente profitiert einzig und allein die Versicherungs- und Finanzbranche. Deshalb bin ich auch strikt gegen die von der FDP geforderte Aktienrente. Die globalen Kapitalmärkte für die Rente „arbeiten“ zu lassen, wie von der FDP propagiert, ist falsch und grob fahrlässig.

Wir brauchen eine grundlegende Rentenreform wie von RentenZukunft e.V. gefordert.

Lieber Lothar, ich bedanke mich für Deine aufschlussreichen Informationen!

2 Kommentare

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  2. Hochinteressanter und aufschlussreicher Beitrag. Ich hoffe, die Bestrebungen der Ampel für eine Aktienrent in der Zukunft sind umgehend zu verwerfen.

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