
Renten im Koalitionsvertrag: Das ist eine dünne und versalzene Suppe
Der Koalitionsvertrag offenbart himmelhoch ambitionierte Ziele von CDU/CSU und SPD:
„Wir streben an, dass eine deutsche Astronautin oder ein deutscher Astronaut im Rahmen einer internationalen Mission zum Mond fliegt.“ (Seite 8)
Wohlan, auf dass mit der Bundesstandarte recht bald auch deutsche Ansprüche auf den Trabantenboden symbolisiert werden. Viel tiefer wird in der Sozialpolitik gestapelt.
Deutlich wird das an den rentenpolitischen Aussagen des Vertrages (S19/20). Sicher ist von all den bescheidenen Maßnahmen nichts, denn der gesamte Vertrag steht unter einem Finanzierungsvorbehalt. Vorrang hat die Haushaltskonsolidierung. (S. 51)
Die wichtigsten Vorhaben:
1. Wir werden „das Rentenniveau bei 48 Prozent gesetzlich bis zum Jahr 2031 absichern.“ Das ist bemerkenswert und verlogen zugleich.
Eine Sicherung des Rentenniveaus von 48 % wäre fast noch von der Ampelkoalition beschlossen worden. Dann hätte die Regelung jedoch bis 2039 gegolten. Jetzt also acht Jahre weniger und das auch noch mit der Maßgabe, im Jahr 2029 die Finanz zierbarkeit zu überprüfen. Die Mehrkosten sollen einerseits mit Steuermitteln ausgeglichen werden, andererseits soll der „Nachhaltigkeitsfaktor“ weiter gelten. Der Nachhaltigkeitsfaktor ist aber verantwortlich für die Absenkung des Rentenniveaus, die ja bis 2031 ausgesetzt werden soll. Das ist alles sehr widersprüchlich und Wischiwaschi.
„Sicherung des Rentenniveaus“ klingt ja erst einmal gut, verschleiert aber zwei fundamentale Dinge: Das Rentenniveau ist seit 1990 schon um 13% abgestürzt. Im besten Fall würden die Rentenkürzungen der letzten Jahrzehnte zementiert werden.
Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn das Rentenniveau von 48% hat ja den Zusatz „netto vor Steuern“. Der Besteuerungsanteil der Renten steigt aber ständig weiter an. Das bedeutet, dass die netto verfügbare Rente (das tatsächliche Rentenniveau) seit 2005 ständig gesunken ist und bis 2058 weiter sinken wird. In konkreten Zahlen: Das Nettorentenniveau ist von 1990 bis heute um 15% gesunken und wird bei voller Besteuerung der Renten ab 2058 um etwa 20% abgesunken sein. Das Versprechen der Niveausicherung erweist sich als reiner Etikettenschwindel.
2. Wir wollen „die Frühstart-Rente einführen… für jedes Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, pro Monat zehn Euro in ein … Altersvorsorgedepot einzahlen.“ Am Ende hat ein Kind nach 12 Jahren einen Förderbetrag von 1.440 Euro in seinem Depot. Mit Verzinsung und Inflationswirkung kann sich der Mensch dann in 50 Jahren über ein ungewisses Sümmchen für den Einstieg in die Rente freuen – das ist lächerlich. Einen Sinn ergibt das Ganze nur, wenn das Altersvorsorgedepot ab 18 mit deutlich höheren Beiträgen gefüttert wird. Das wird auch im Koalitionsvertrag so als Ziel formuliert. Der Zweck ist dann deutlich erkennbar. Es werden hohe Milliardenbeträge für die Geschäfte von Finanzkonzernen generiert.
3. Wir werden „die betriebliche Altersversorgung stärken und deren Verbreitung besonders in kleinen und mittleren Unternehmen und bei Geringverdienern weiter vorantreiben.“ Das ist gefühlt eine Kopie von Ankündigungen der letzten fünf Bundesregierungen. Erneut wird angekündigt, dass die Anlage in Risikokapital ohne Garantieverpflichtung ausdrücklich unterstützt wird. Erfolglos wird auch das wieder bleiben, weil die Betriebsrenten weiter über Entgeltumwandlung mit minimalen Zuschüssen von Firmen finanziert werden. Auch das ist ein Etikettenschwindel: Eine aus Lohngeldern gespeiste „Betriebsrente“ ist in Wirklichkeit eine weitere Form der Privatvorsorge. Die Rolle der Betriebe beschränkt sich darauf, Lohngelder an die von ihnen ausgewählten Versicherungen zu überweisen. Profiteure sind wieder die einschlägigen Finanzkonzerne.
4. „Wir werden die bisherige Riester-Rente in ein neues Vorsorgeprodukt überführen.“ (S. 48) Auch dieses wie schon von der Ampel geplant: Ein mit mehr Anlagerisiken und garantiebefreites Geschäftsmodell für die Finanzkonzerne. Die Riester-Rente ist gescheitert und hat Millionen betrogene Sparer hinterlassen. Jetzt soll die nächste Runde mit windigen Spekulationsversprechen gestartet werden
5. „Ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren wird auch künftig möglich bleiben.“Immerhin das bleibt, auch wenn die Wirkung der Regelung mit jedem Jahr weiter abschmilzt. Gegenwärtig kann man frühestens mit 64 Jahren und 6 Monaten abschlagsfrei in Rente gehen.
6. „Arbeiten im Alter machen wir mit einer Aktivrente attraktiv.“ Wer über das gesetzliche Rentenalter hinaus weiter arbeitet, kann bis zu 2.000 Euro seines Monatseinkommens steuerfrei beziehen. Die Anreize sind deutlich geringer als bei der noch von der Ampel geplanten „Wachstumsinitiative“. Die Absicht damit irgendwelche Facharbeiterprobleme lösen zu können, wird absehbar ein frommer Wunsch bleiben. Fachleute der Arbeitsagenturen und der Rentenversicherung vermuten reine Mitnahmeeffekte von Menschen, die ohnehin länger arbeiten.
7. „Wir werden alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, … in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen.“ Auch das war erklärte Absicht der Ampel-Regierung, die sich in Rauch aufgelöst hatte. Da ist nicht der Hauch einer Absicht erkennbar, das Drei- bis Vier-Klassenrecht bei der Rentenversicherung durch eine Erwerbstätigenversicherung abzulösen. Diese Ungleichbehandlung ist ein Relikt aus dem vorletzten Jahrhundert und spricht dem Grundgesetz Artikel 3 (Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich) hohn.
8. „Wir werden die Mütterrente mit drei Rentenpunkten für alle vollenden“. Damit wird die Erziehungsleistung für Kinder, die vor und nach 1992 geboren sind, endlich gleich bewertet. Gut so! Dann kommt der Satz: „Die Finanzierung erfolgt aus Steuermitteln, weil sie eine gesamtgesellschaftliche Leistung abbildet.“ Das ist sehr aufschlussreich, denn damit ist jetzt dokumentiert, dass die bisherigen 2,5 Entgeltpunkte für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, dreisterweise den Beitragszahlern aufgebürdet wurden. Das sind nicht weniger als 22 Milliarden Euro, die jährlich dem Haushalt der Rentenversicherung (DRV) vorenthalten werden. Mit anderen versicherungsfremden Leistungen kamen zum Beispiel im Jahr 2020 37 Milliarden Euro zusammen, die von Beitragszahlern und nicht aus dem Staatshauhalt finanziert wurden. Hierzu steht im Vertrag nicht eine Silbe.
Was fehlt und nicht vermisst wird, ist die Aktienrente. Das überrascht. Hat Friedrich Merz die Interessen seines früheren Arbeitgebers BlackRock vergessen? Naja, was nicht ist kann ja noch werden. Eine erneute geplante Rentenkommission wird schon Lösungen finden. Jede Wette, dass der Wille der sehr großen Mehrheit in diesem Land wieder keine Rolle spielen wird.
(Reiner Heyse, 14.04.2025)
Vertiefendes:
Die Räuber rauben weiter … die gesetzliche Rentenversicherung aus.
Die Sozialversicherungskassen bluten für die „schwarze Null“.
Wenn das mit der Rente nicht bald gerecht , solidarisch und sozial erfolgt, wird hier in Deutschland ein Aufbegehren erfolgen, da war die friedliche Revolution 1989/ 1990 eine Nichtigkeit! Da benötigt man dann keine Parteien mehr
Kleine Korrektur des Koalitionsvertrages:
„Wir streben an, dass eine deutsche Arbeitsministerin oder ein deutscher Arbeitsminister im Rahmen einer internationalen Mission zum Mond fliegt.“ – und dort verbleibt! Damit könnte Platz für eine echte Rentenreform im Lande nach österreichischem Vorbild geschaffen werden.
Das Rentenniveau liegt heute bei 48 %. Eine Absenkung über 13 % ist grundsätzlich falsch. Ein Rentenniveau über 60 % gab es 1990 nicht..
Da gibt es den Unterschied zwischen Prozentpunkten und Prozenten. Das Rentenniveau netto vor Steuern ist von 55% auf 48% gesunken. Der Unterschied sind 7 Prozentpunkte. Gegenüber 55% machen die 7 Prozentpunkte dann eine tatsächliche Absenkung um 13 % aus. Eine simpleres Beispiel: Eine Steigerung von 1% auf 2% bedeutet ja einen Unterschied von lediglich 1 Prozentpunkt. Das entspricht allerdings bei 1% Ausgangsgröße einer Erhöhung um 100%, also einer Verdoppelung.