
Wir veröffentlichen die Rede von Peter Petersen von der Steuerungsgruppe der DGB-Senioren in Hamburg, weil sie sehr gut die Renten-Situation in Deutschland beschreibt und überzeugende Reformforderungen enthält. Zur Nachahmung, nicht nur anläßlich des 1. Mai, sehr zu empfehlen:
Liebe Kolleginnen, Liebe Kollegen,
eine zentrale Forderung der Gewerkschaften seit einigen Jahren lautet:
Die Rente muss für ein gutes Leben reichen!
Von Seiten der regierenden Parteien und von Seiten der Medien wird seit langer Zeit versucht, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass es den Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland super gehe und sie auf Kosten der jüngeren Generationen ein Leben in Saus und Braus führen würden. So zeigte z.B. vor zwei Monaten das ZDF eine sogenannte Dokumentation mit dem reißerischen Titel „Die Wahrheit über die Rente“. Darin wurde der Eindruck vermittelt, dass die Masse der Rentnerinnen und Rentner ihr Leben überwiegend auf Kreuzfahrt-schiffen verbringen.
Mit der Wahrheit hatte dieser Film allerdings kaum etwas zu tun.
Die Wahrheit ist vielmehr: In den letzten 25 Jahren wurde das Netto-Rentenniveau in Deutschland um nahezu 15 % abgesenkt und wird bei weiter zunehmender Besteuerung der Renten in den nächsten Jahren noch weiter absinken.
In Deutschland wird heute pro Rentner ein um 25% geringerer Anteil vom BIP ausgegeben als noch vor 30 Jahren. Die Folge ist:
Immer weniger Menschen können von ihrer Rente leben. Die gesetzliche Rente schützt heute in vielen Fällen weder vor Armut, noch sichert sie den Lebensstandard.
Die Zahl der Menschen, die zum Sozialamt gehen und Grundsicherung beantragen müssen, hat sich den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt. Jeder 5. Rentner in Deutschland ist von Altersarmut betroffen und die Zahl wird in den nächsten Jahren dramatisch steigen, wenn hier nicht schleunigst und entschieden umgesteuert wird.
Das Rentenniveau in Deutschland liegt offiziell bei 48 % des zuvor bezogenen durchschnittlichen Arbeitseinkommens. Die durchschnittliche Standardrente für Männer beträgt 1258 €, für Frauen beträgt sie nur 864 €. Mehr als 6,7 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Rente von weniger als 850 €, die Mehrheit davon sind Frauen.
Damit befindet sich Deutschland im unteren Tabellendrittel aller OECD-Staaten. Fast alle Nachbarländer haben deutlich bessere Rentensysteme und zahlen deutlich höhere Renten.
In Österreich z.B. beträgt das Rentenniveau 75% des durchschnittlichen Arbeitseinkommens und die Renten sind im Durchschnitt um 700 € höher als in Deutschland. Außerdem gibt es pro Jahr 14 Renten-zahlungen statt 12 wie bei uns.
In Österreich gibt es seit 20 Jahren auch eine Erwerbstätigenversicherung, in der nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Selbständige und Beamte und auch Politiker versichert sind und einzahlen.
Natürlich kostet das mehr. Daher gilt auch ein höherer Rentenver-sicherungsbeitrag. Allerdings zahlen dort auch die Arbeitgeber einen um 3% höheren Beitragssatz als die Arbeitnehmer.
Bisher hat man nicht gehört, dass deswegen die Wirtschaft in Österreich zusammengebrochen wäre. Im Gegenteil: Die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist in Österreich sogar höher als in Deutschland.
Es gibt keinen vernünftigen Grund, weshalb so ein Rentensystem wie in Österreich nicht auch in Deutschland eingeführt werden könnte. Außer natürlich dem Interesse der Arbeitgeber, ihre Unternehmensgewinne zu steigern und höhere Dividenden auszuschütten.
Die würden am liebsten das Rentenniveau noch weiter absenken und das Renteneintrittsalter noch weiter erhöhen, am besten auf 70 Jahre.
Damit soll angeblich die jüngere Generation entlastet werden. Dies ist eine plumpe Lüge, denn die heutigen Arbeitnehmer, die in die Rentenversicherung einzahlen, sind die Leidtragenden der immer schlechteren Rentenzahlungen, die die Arbeitgeber in Zukunft gerne hätten.
Nun gibt es wahrscheinlich ab nächster Woche eine neue Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es:
„Wir werden das Rentenniveau bei 48 % gesetzlich bis zum Jahr 2031 absichern“. Das sind immerhin 8 Jahre weniger als es noch die Ampelkoalition geplant hatte und das auch noch mit der Maßgabe, im Jahr 2029 die Finanzierbarkeit neu zu prüfen.
Wenn also die Beitrags- und Steuereinnahmen in den nächsten Jahren sinken sollten oder das Geld anderweitig benötigt wird, z.B. für steigende Rüstungsausgaben, wird mit weiteren massiven Kürzungen von Renten und anderen Sozialleistungen zu rechnen sein. Nur zur Erinnerung:
Bereits vor Antritt der neuen Regierung wurde im Bundestag beschlossen, die sog. „Schuldenbremse“ aufzuheben und zwar für Investitionen in die Infrastruktur (500 Mrd. €) und für Aufrüstung (ohne Begrenzung). Wir fordern dagegen:
Mehr Rente statt mehr Raketen!
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Der DGB hat zu Beginn dieses Jahres gemeinsam mit der Arbeiternehmerkammer Bremen und der Arbeitskammer des Saarlandes eine repräsentative Umfrage unter 3000 Personen über 18 Jahren in Deutschland durchgeführt, den sog. Sozialstaatsradar 2025.
Diese Umfrage ergab große Mehrheiten für einen starken Sozialstaat, der auch mehr kosten darf und eine klare Absage an Privatisierungen:
- So stimmten 80 % der Befragten für eine verbindliche soziale Sicherung, die staatlich organisiert ist, die verpflichtend ist und automatisch erfolgt.
- 75 % der Befragten sagten Ja zu höheren Beiträgen für eine gute soziale Absicherung. Besonders hoch war die Zustimmung bei jüngeren Befragten zwischen 18 und 29 Jahren.
- Nahezu alle Befragten stimmten einem Nettorentenniveau von 75 % des durchschnittlichen Nettolohns zu und zwar unabhängig von der Parteipräferenz der einzelnen Befragten.
- Zur notwendigen Höhe einer Mindestrente gab es unterschiedliche Angaben. Der errechnete Durchschnitt lag bei einer Mindestrente von 1327 € und damit ziemlich dicht an der offiziell ermittelten Armutsschwelle, die 2023 genau 1320 € betrug. Und – last not least:
- 75 % der Befragten sind für eine Erwerbstätigen- bzw. Bürgerversicherung sowohl in der Renten-, der Kranken- und der Pflegeversicherung, in der auch Beamte, Selbständige und Politiker zu versichern wären. Auch Einkünfte aus Kapitalerträgen sollten dann beitragspflichtig sein.
Das sind eindeutige Ergebnisse, über die allerdings nur in den Presseorganen der Gewerkschaften und der Sozialverbände berichtet wurde. In den öffentlich-rechtlichen Medien wurde darüber nicht berichtet, obwohl dort sonst jede Umfrage breitgetreten wird. Und von den Koalitionsparteien war dazu auch nichts zu vernehmen.
Man kann darüber spekulieren, woran das wohl liegen könnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Noch ein letzter Punkt. Rentnerinnen und Rentner waren in den letzten Jahren besonders betroffen von den hohen Inflationsraten, die in den meisten Jahren deutlich höher waren als die jährlichen Rentensteigerungen. Für die meisten ArbeitnehmerInnen, für die Beamten und die Pensionäre und natürlich für die Politiker gab es einen Inflationsausgleich von bis zu 3000 €. Für die Rentnerinnen und Rentner gab es – nichts. In Hamburg haben wir in dieser Frage 2 Demonstrationen veranstaltet. Bei der Demo im letzten Juni erklärte uns der Finanzsenator Herr Dressel, der Senat sähe das Problem und werde das Thema „finanzielle Belastung für diese Gruppe weiterbewegen“. Gehört haben wir seitdem nichts mehr von Herrn Dressel. Auch nicht zu der Forderung nach einem Zuschlag für Grundsicherungsemfänger im Alter, wie er z.B. in München gezahlt wird.
Von seiten des DGB, der Sozialverbände und auch des Landes-Seniorenbeirats wurde an den Senat auch der Wunsch herangetragen, zur Entlastung der Hamburger Rentnerinnen und Rentner das Deutschlandticket für 29 € anzubieten, wie es auch in Mecklenburg-Vorpommern seit einem Jahr gemacht wird.
Hamburg hat im letzten Jahr dagegen ein kostenloses Deutschland-Ticket für alle Schülerinnen und Schüler eingeführt und zwar ohne Prüfung des Einkommens der jeweiligen Eltern. Das ist eine Maßnahme, die wir natürlich begrüßen.
Allerdings verstehen wir nicht, wieso eine entsprechende Regelung nicht auch für Rentnerinnen und Rentner eingeführt wird.
Im gerade ausgehandelten Koalitionsvertrag des neuen Hamburger Senats findet sich dazu nur der dürre Satz: „Wir wollen auch für Senior*innen eine vergünstigte Möglichkeit schaffen, den ÖPNV zu nutzen“.
Keine konkretere Aussage zur Höhe der Kosten und zum Zeitpunkt einer geplanten Einführung. Das ist schon sehr enttäuschend.
Wir fordern daher den Hamburger Senat auf, baldmöglichst ein 29 €-Deutschlandticket auch für die Hamburger Seniorinnen und Senioren einzuführen und zwar so unkompliziert, wie es auch bei den kosten-losen Deutschlandtickets für Schülerinnen und Schüler geschehen ist.
Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit.