Der 37 Milliarden Euro-Klau aus 2020 aufgeflogen– na und?

Der Diebstahl ist seit Oktober 2021 bekannt. Bekannt gemacht hatte ihn die Deutsche Rentenversicherung. Interessiert hat das niemanden, jedenfalls keine der meinungsbeherrschenden Medien. Das merkwürdige Desinteresse der Medien fand im Mai 2024 ein Ende, als eine FDP-Politikerin aus der zweiten oder dritten Reihe daran Anstoß nahm.

Die Bundestagsabgeordnete Anja Schulz fand: „Es kann nicht sein, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben durch das Kollektiv der Beitragszahler gestemmt werden müssen“. Das ist nicht neu. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) und der Sozialbeirat der Bundesregierung kritisieren das seit Jahrzehnten. Zuvor wurde schon über Pressemitteilungen, die jede Nachrichtenagentur und jedes Pressemedium erreichte, von der DRV kritisiert, dass die Zahlungen des Bundes im Jahr 2017 eine Deckungslücke von 32 Milliarden Euro aufwies. Berichterstattung in den Medien dazu: Null, nichts!

Der Skandal im Skandal: 

Die Hauptmedien ignorieren seit Jahr und Tag die Mitteilungen der größten Organisation in diesem Land in der wichtigen Frage der durch den Bund verursachten Deckungslücke bei der Rentenversicherung. Die DRV hat 55 Millionen Versicherte und 21 Millionen Rentenempfänger. Mehr Vertretung von Menschen hat nur der Staat selbst. Wenn dann eine Politikerin daherkommt, die Bruchteile von Promille der Wahlbevölkerung repräsentiert und die volle mediale Aufmerksamkeit bekommt, macht das sprach- bis fassungslos. Die Wirtschaftswoche berichtete zuerst und schon sehen sich zahlreiche weitere Medien veranlasst, auch zu skandalisieren: „Wie der Staat die Rentenversicherung ausplündert“. Eine Enthüllung 2 ½ Jahre nachdem sie bereits öffentlich war, aber nicht veröffentlicht wurde.

Wie der Diebstahl funktioniert und wer die Bestohlenen sind

Der Gesetzgeber gewährt Bevölkerungsgruppen Rentenansprüche, für die die Berechtigten nie einen Euro Beitrag geleistet haben (Kriegs- und Verfolgungsopfer; Fremdrenten; Höherbewertung von „Ost“renten, Mütterrenten I und II; Grundrenten; …). DIe Rentenversicherung wird angewiesen, diese nicht beitragsbegründeten Leistungen auszuzahlen. Das waren im Jahr 2020 insgesamt 112,7 Milliarden Euro. Statt diese Summe auszugleichen, überwies der Finanzminister, als fälschlich so genannte Bundeszuschüsse, lediglich 75,3 Milliarden Euro. Die Deckungslücke von 37,1 Milliarden Euro musste aus Beitragsgeldern ausgeglichen werden.

Man kann das Ausplünderung nennen, deutlicher ist aber Diebstahl und die Bestohlenen sind die Beitragszahler. Dieser Diebstahl passiert zwar schon seit 1957, er hat aber die letzten Jahre eine schier unglaubliche Höhe erreicht.

Das dies nicht nur bei der Rentenversicherung, sondern auch bei der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung passiert, beschert den Finanzministern beständig einen Schattenhaushalt, der gegenwärtig eine Höhe von über 70 Milliarden Euro erreicht hat. Damit werden ca. 15% des Bundehaushalts nicht über die Bücher des Finanzministeriums geführt, sondern über die Kassen der Sozialversicherungen. Ein riesiger Schattenhaushalt, finanziert nicht aus Steuereinnahmen oder Krediten, sondern durch Beitragsgelder.

Wie der Skandal aus der Welt geschafft werden könnte?

Zwei Schritte würden ausreichen:

1. Sofortige Finanzierung der nicht beitragsgedeckten Leistungen in allen Sozialversicherungszweigen durch Steuern.

2. Erhöhung des Steueraufkommens durch Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Erhebung/Erhöhung der Steuern auf große Erbschaften und Erhebung einer Vermögenssteuer.

Nachtrag: Räuberische Dreistigkeit wird noch gesteigert

Im Jahr 2019 beschloss der Bundestag, den Haushalt der DRV von 2022 bis 2025 mit jährlichen Zuweisungen von 500 Millionen Euro zu entlasten. Begründung: Aufbau der Nachhaltigkeitsreserve um den Zugang der geburtenstarken Jahrgänge besser schultern zu können. Dann kam 2021 die Ampelregierung und versprach, das Rentenniveau und den Beitragssatz zu stabilisieren.

Was sie dann machte, kann man als aberwitzig ansehen, auf jeden Fall ist es dreist.

2021 kassierte die Ampel das 4 X 500 Millionen Zuschuss-Gesetz. Es hatte gerade einmal 2 Jahre Bestand und damit eine Wirkung von Null Euro. Widerstand dagegen: nicht wahrnehmbar.

Im August 2023 beschloss sie den Haushaltsentwurf 2024 mit der Maßgabe, den „Bundeszuschuss“ zur Rentenversicherung von 2024 bis 2027 um 600 Millionen Euro zu kürzen. Wieder gab es keinen merklichen Widerstand.

Und das ermutigte die Ampellisten im Januar 2024 wohl dazu, die bereits beschlossene Kürzung auf 1,2 Milliarden Euro zu verdoppeln. Die einzige Reaktion dazu war eine kritische Pressemitteilung der DRV. Irgendwelche Verlautbarungen von Gewerkschaften oder Sozialverbänden dazu blieben aus.

So werden Räuber ermutigt weiter zu rauben…


Genauere Informationen zu versicherungsfremden Leistungen / nicht beitragsgedeckten Leistungen gibt es hier:

Die Sozialversicherungskassen bluten für die „schwarze Null“

Zwei verborgene Skandale in einem – ja haben wir denn schon „1984“?

50 Millionen DM, das waren einmal “Peanuts” – 30 Milliarden €, das ist weniger als ein Staubkorn

Rentenbeitragszahler finanzieren den Staatshaushalt mit 30 Milliarden €.

11 Kommentare

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  3. Dazu steht unter dem Stichwort „Grundrente“ Folgendes bei Wikipedia:

    „Die Grundrente wird aus Steuermitteln finanziert. Der Bundeszuschuss wurde im Jahr 2021 um 1,4 Mrd. Euro erhöht und wird danach entsprechend den gesetzlichen Vorschriften fortgeschrieben. So wird eine zusätzliche Belastung der Beitragszahler vermieden“

    Vielleicht solltet Ihr das mal korrigieren oder auf der Basis obigen Artikels ergänzen!

  4. Bemerkenswert ist eine Entscheidung des BverfG zur Künstlersozialkasse, die folgerichtig Belastungen durch versicherungsfremde Leistungen ausschließt, genau das aber wird den gesetzlich Rentenversicherten verweigert, für sie gilt die übergeordnete Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers. Damit ist auch die Selbstverwaltungsautonomie der GRV ausgehebelt.
    . . . . Bundesverfassungsgericht
    Beschluß des Zweiten Senats vom 8. April 1987
    -2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83 und 142/84
    . . „Die Gefahr der Aushöhlung besteht insbesondere dann, wenn die Sonderabgaben unter Berufung auf Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern ausgedehnt und so ausgestaltet werden, daß sie an die Stelle von Steuern treten können. Wegen dieser Konkurrenz versagt es das Grundgesetz dem Gesetzgeber kompetenzrechtlich, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden . .
    . . Der Gesetzgeber kann sich seiner Regelungskompetenz für die Sozialversicherung nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aufzubringen. Die Finanzmasse der Sozialversicherung ist tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt. Ein Einsatz der Sozialversicherungsbeiträge zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates ist ausgeschlossen.“

  5. Die Seite portal-sozialpolitik von Johannes Steffen hat diese Info der DRV veröffentlicht zu nicht beitragsgedeckten gedeckten Leistungen – also gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die vollständig (!!) aus dem Steuerhaushalt zurück zu erstatten sind. Ob das alle sind, man weiß es nicht, da den Verwaltern der GRV durch den Gesetzgeber, keine jährliche transparente Veröffentlichung sämtlicher nicht beitragsgedeckter Leistungen auferlegt ist. Vielleicht kann dieser Link veröffentlicht werden: http://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2021/2021-11-09_DRV_Nicht_beitragsgedeckte_Leistungen_2020.pdf

  6. Soweit mir bekannt, dürfen Sozialversicherungen keine Profite machen und leben eher von-der-Hand-in-den-Mund, da die Beitragssätze permanent zu niedrig seien. In Ausnahmefällen von Einnahmeüberschüssen müssen die Sozial-Versicherungsträger ihre Überschüsse ab einem Grenzbetrag an den Staat abführen. D.h., dass Sozialversicherungen eher keine signifikanten Rücklagen haben oder bilden können, aus denen viel gestohlen werden könnte.
    Daher fragt sich, woher dann die angeblich gestohlenen Gelder zur Finanzierung der Deckungslücke wirklich gekommen sind? Wenn nicht vom Staat oder von Beitragszahlern, bleiben doch nur Kredite übrig, die Sozialversicherungen zur Deckung ihrer Leistungspflicht aufgenommen haben müssten, oder? Dürfen sie das auf eigene Rechnung tun ggf. vorbei an der Bundesfinanzaufsicht?
    Evtl. hat ein Kenner dieser Materie dazu eine klarstellende Antwort.

    1. Die Rückhaltereserve (§ 158 SGB VI) der DRV ist seinerzeit unter Rot-Grün absichtlich gesenkt worden. Auch mit der Absicht, wenn die Rückhaltereserve höher ist, dass dann die Beiträge sinken sollen und dann auf einen niedrigen Stand allein nur für den Arbeitgeber einzufrieren. Nur der Arbeitnehmer sollte dann weitere Erhöhungen tragen. Alles Maßnahmen zugunsten der Finanz- und Versicherungsindustrie, wie auch die anderen Kürzungsfaktoren seinerzeit die GRV so unattraktiv zu machen, um zukünftige Rentner mehr und mehr zu privaten Finanzmarktprodukten und Rentenversicherungen zu zwingen. Rürup, Raffelhüschen, Maschmeyer, Allianz und Kollegen, wussten genau wie und was sie wie machen mussten. Rürup ist dann nicht umsonst nach seiner Emeritierung von der TU-Darmstadt zu Maschmeyer gewechselt. Gestohlen kann man das deshalb bezeichnen, weil die vielen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die seit 1957 zunehmend der DRV aufgedrückt wurden (erst aus den Beiträgen finanziert), in keinem Jahr seitdem vollständig zurück erstattet worden. Es ist schon dreist das überhaupt als Zuschüsse des Bundes zu bezeichnen, es sind Rückzahlungen und zwar mangelhafte. Die DRV hat es oft seit dem selbst beklagt. Chronik der wesentlichen Änderungen im Bereich der Rentenversicherung: http://www.portal-sozialpolitik.de/index.php?page=rentenversicherung

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  8. Es ist anscheinend normal, die Versicherten staatlich und politisch geduldet, zu betrügen.Wenn versicherungsfremde Leistungen nicht mehr aus der Rentenkasse zweckentfremdet geleistetwerden, wenn auch Selbständige, Beamtete, Abgeordnete und vor allem Vermögende nichts zur sicherung der Renten beitragen, und dies auch noch politisch geduldet und forciert wird, so wird mit der angeblichen „Unfinanzierbarkeit“ der Renten manipuliert wird, dan bleibt die sogenannte Kapitalrente anscheinend alternativlos. Das Verzocken der Rentenkassen in den USA hält unsere Politiker anscheinend nicht ab, auf solche fadenscheinige Modelle zu setzen und die Bevölkerung mit Hilfe der Medien weiterhin erfolgreich zu manipulieren. Armes Deutschland !

  9. Das ist für mich ein riesiger Betrug an dem Beitragszahler. Wo bleibt der Aufschrei der Gewerkschaften, der Sozialbernände, der DRV.
    Wieso wird dieser Diebstahl an Rentnern nicht bestraft?

    1. Wer im Sozialverband (VdK) ist, weiß wie sehr dieser für ein gerechtes Sozialsystem kämpft. Allerdings sind die Ergebnisse dieser umfangreichen Bemühungen (klagen, etc vor div. Gerichten, eine Lobby für den kleinen Mann zu bilden, usw.) leider noch eher als marginal einzustufen. Ein paar mal konnte aber schlimmeres verhindert werden.

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