Renten in Norwegen – der staatliche Pensionsfonds ist keine Wundertüte.

Das norwegische Rentensystem ist ziemlich komplex und hat viele, auch jahrgangsbezogene, Besonderheiten. Hier werden die wesentlichen Daten und Zusammenhänge dargestellt. Häufig wird in unseren Medien dargestellt, die norwegische Rente sei vorbildlich, Dank der Zuweisungen aus dem staatlichen Pensionsfonds. Da ist aber wenig dran (hier genauere Erläuterungen: ” Norwegen – Mythen um den staatlichen Pensionsfonds“).

Das norwegische Rentensystem besteht aus zwei tragenden Elementen: Der gesetzlichen Altersrente und der obligatorischen bzw. einer tariflich garantierten Betriebsrente. Die Privatvorsorge ist völlig freiwillig und wird auch nicht besonders staatlich gefördert. 

 Um die Leistungen mit deutschen Maßstäben bewerten zu können sei vorausgeschickt: Das Verhältnis Norwegischer Kronen (NOK) zum Euro beträgt etwa 1 zu 0,09. Anders ausgedrückt: Eine NOK hat den Wert von neun Eurocent. Zur besseren Lesbarkeit werden die umgerechneten Eurobeträge genannt. Die Kaufkraft liegt weit auseinander. Für einen Warenkorb, der in Deutschland 100 Euro kostet, müssen in Norwegen ca. 130 Euro bezahlt werden.

In der gesetzlichen Altersrente wurden im Dezember 2022 im Durchschnitt 2.042 Euro ausbezahlt. Für Männer waren es 2.293 Euro, für Frauen 1.859 Euro. Frauen bekommen also 19% weniger. Die durchschnittliche Rentenhöhe ist für die jüngeren Rentenjahrgänge leicht sinkend. Rechnet man die Beträge kaufkraftbereinigt um, würden sie für deutsche Verhältnisse folgende Zahlbeträge ergeben: Durchschnitt aller Renten: 1.570 Euro; für Männer: 1.784 Euro, für Frauen 1.430 Euro.

Jede Person, die ab dem 16. Lebensjahr 40 Jahre in Norwegen gelebt hat, erhält eine Garantierente von 1.706 Euro. Geringe Renten werden auf Mindestrenten von 1.920 Euro aufgestockt. Kaufkraftbereinigt wären das für deutsche Verhältnisse 1.302 Euro bzw. 1.477 Euro. Für neue Renten wird die Mindestrente jedoch schrittweise auf den Satz der Garantierente abgesenkt.

Die Renten in Norwegen werden besteuert, bleiben aber bis zur Garantierente (aktuell: 1.706 Euro) ohne Abzug. Beträge darüber werden dann abgestuft besteuert. In den Zahlbeträgen ist schon der vorab abgezogene Sozialversicherungsbeitrag von 5,1 % enthalten.

Finanziert werden die Renten aus der norwegischen staatlichen Sozialversicherung. Die umfasst Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenleistungen. Für die Sozialversicherung werden im Umlageverfahren Beiträge von 22,3 % der Bruttolöhne erhoben. Unternehmen zahlen dabei 14,1 %, abhängig Beschäftigte 8,2 %. Die über die Beitragsleistungen hinausgehenden Aufwendungen werden aus dem Staatshaushalt bezahlt.

Die obligatorischen Betriebsrenten haben verschiedene Durchführungswege. Grundsätzlich müssen die Unternehmen mindestens 2 % der Bruttolöhne in Rentenfonds oder Rückstellungen einzahlen. In den öffentlichen Betrieben, in denen ein Drittel aller Beschäftigten in Norwegen arbeiten, werden die gesetzlichen Altersrenten ergänzt, so dass als Gesamtrente 66 % des letzten Einkommens gezahlt wird. Im Bereich der Privatwirtschaft zahlen etwa die Hälfte der Betriebe auf Grund von Tarifverträgen zusätzliche Beiträge in Rentenfonds.

Über alle Renten gesehen machen die Betriebsrenten etwa 20 % der gesamten Altersversorgungsleistungen aus.

Die private Altersvorsorge spielt in Norwegen für die abhängig Beschäftigten nur eine marginale Rolle.

Die Norweger können bereits mit 62 in Rente gehen. Die Rentenhöhe ist dann allerdings so gering, dass es zur Wahrung des Lebensstandards nicht reicht. Für jedes weitere Jahr in Arbeit erhöhen sich die Rentenansprüche um 7,5 %. Verkürzt ausgedrückt kann gesagt werden: In Norwegen wird Frühverrentung nicht durch Abzüge bestraft (wie in Deutschland), sondern längeres Arbeiten belohnt – im Ergebnis gibt es aber kaum einen Unterschied. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass die obligatorischen Betriebsrenten für nennenswerte Zusatzversorgungen sorgen. Die Norweger gehen durchschnittlich mit 65,6 Jahren in Rente.

Fazit: Wie gut ist nun das norwegische Rentensystem? Als Maßstab zur Beurteilung können die regelmäßigen vergleichenden Untersuchungen der OECD herangezogen werden. Die OECD berechnet für junge Norweger eine Nettoersatzquote von 55,2 % aus. Also nur wenig mehr als das sehr niedrige Niveau von 52,9 % in Deutschland und erheblich weniger als die 87,9 % in Österreich. Das gilt für Renten auf durchschnittliche Einkommen. Für Renten auf niedrige Einkommen ist das Niveau durch die Garantierente deutlich höher: 76,3 % bei halben Durchschnittseinkommen. (Anmerkung 1). Insgesamt ist das norwegische Rentensystem für durchschnittliche und höhere Einkommen keineswegs leistungsstark und vorbildlich. Stärken hat das System bei den Renten auf niedrige Einkommen.

(Reiner Heyse, 21.09.2023)


Anmerkung 1: Die Nettoersatzquote (oder auch Nettorentenniveau) ist eine international übliche Größe. Sie beschreibt das Verhältnis der Nettorenten zu den im Arbeitsleben erzielten Nettoeinkommen. Mit Rentenniveau ist das Verhältnis der Renten zu entsprechenden Lohneinkünften definiert. Das Nettorentenniveau wird in Deutschland seit 2004 nicht mehr in den Statistiken der Rentenversicherung geführt. Stattdessen wird „Nettorentenniveau vor Steuern“ verwendet, mit dem praktisch niemand etwas anfangen kann, weil die ansteigenden Steuerabzüge nicht berücksichtigt werden.

Print Friendly, PDF & Email

2 Kommentare

  1. Pingback: JFI 39-2023 ++ Verdi für Waffenlieferungen in die Ukraine ++ Gräfenhausen: Hungerstreik beendet ++ Ex-Gorillas-Arbeiterin Duygu Kaya über wilde Streiks ++ Hagenbeck: Streik ausgesetzt ++ Kanadisches Parlament ehrt Veteran der Waffen-SS ++ – Jour

  2. Pingback: Norwegen – Mythen um den staatlichen Pensionsfonds.

Kommentare sind geschlossen.